Am 15.05.2017 hatten wir die Chance Frau Irmingard Kruse an unserer Schule als Zeitzeugin für Care Deutschland zu treffen. Im Religionskurs der 10g2 und 10g3 erzählte sie uns ihre Erlebnisse und Erfahrungen während der Flucht am Ende des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit, in der sie eine neue Heimat finden musste.
Die heute 76jährige Frau kam in Swinemünde auf der Insel Usedom zur Welt. Dort entwickelte sie ihre große Liebe zur Ostsee. Als am 12. März 1945 Swinemünde bombadiert wurde, floh sie mit ihrer Mutter und der Tante. Die beiden Frauen versuchten ohne Mann, mit vier Kindern (zwei älteren Schwestern von Irmingard und einem Bruder) sich zu Verwandten in Lübeck durchzu-schlagen. Mit dem Vater, der die Flucht nicht begleiten konnte, war das so abgesprochen. Alle hofften, sich gesund in Lübeck wieder zu treffen. Zunächst führte sie der beschwerliche Weg für vier Wochen nach Mecklenburg. Dort blieben sie, bis die russische Armee anrückte. Zu Fuß ging es quasi querfeldein Richtung Lübeck. Nach 12 Tagen erreichten sie ihr Ziel. Bei Verwandten fanden sie mit 6 Personen Unterschlupf in einem für sie alle frei geräumten Zimmer. Bequem war es nicht, aber sie waren froh, ein sicheres Dach über dem Kopf zu haben.
Eindrucksvoll erzählte Frau Kruse von Hunger, Kälte und Not. Stromsperren, Lebensmittelratio-nierungen und enge häusliche Verhältnisse konnten wir uns recht gut vorstellen, da Frau Kruse einige wenige Fotos aus der Zeit mitgebracht hatte. Mit der Dokumentenkamera und dem Smart-board wurden die für alle Anwesenden sichtbar. Darüber hinaus brachte sie uns kleine Filmse-quenzen und Gegenstände mit. Eine emaillierte Stielkasserolle gewann besondere Bedeutung für sie. Es war Irmingards Aufgabe diese auf der Flucht zu hüten, was ihr bis heute gelungen ist.
1946 wurde dann auch noch ihre dritte Schwester geboren. Alle außer ihr haben die tief greifen-den Erfahrungen der Flucht und Entbehrung nahezu verdrängt. Sie engagiert sich im Verein Care Deutschland und berichtet vor Schulklassen und bei verschiedenen Events von sich und den Be-dingungen heutiger Flüchtlinge. Irmingard Kruse versteht sich als Brückenbauerin zwischen den schrecklichen Erfahrungen ihrer Kindheit und denen, die heute zu uns kommen, aber (noch) kei-ne Stimme haben. Sie hat über die Carepakete aus den USA Unterstützung erfahren, ja sogar ihre Unterstützer kennen gelernt. Mittlerweile verbindet sie eine tiefe familiäre Freundschaft zu diesen Gönnern der ersten Nachkriegs-Pakete. Sie sagt, Flucht müsse bewältigt werden, dabei können wir alle helfen. Wir waren überrascht und tief beeindruckt.
In der letzten Woche erreichte uns dann noch ein Brief, den sie an uns alle geschrieben hatte. Sie macht uns Mut uns zu engagieren und unsere Menschen zugewandte Art, die sie wahrgenommen zu haben scheint, zu behalten und weiter zu entwickeln.
Wir wünschen ihr alles Gute und sagen nochmals DANKE für den Besuch.